„Die Branche hat sich in den vergangenen Jahren verdichtet und systematisiert. Sie ist effektiver geworden. Dazu leisten die Verbände einen großen Beitrag.“
(Dr. Werner Vogelauer, Senior Coach DBVC, Coaching-Magazin 3/2010)
Viele Orientierung gebende Materialien und Publikationen hat der DBVC 2010 präsentieren können. Da war das Coaching-Kompendium „Coaching als Profession“, welches zwei Jahre zuvor erstmalig veröffentlicht wurde und nun in der dritten, erweiterten Auflage erschien. Während die ersten beiden Auflagen Grundlagen, Definitionen und Abgrenzungen zur Profession Business Coaching fokussierte, wurde das Kompendium 2010 um einen zweiten Teil „Anwendung – Professionelle Standards“ erweitert. Dabei werden die im ersten Teil festgehaltenen Definitionen auf das professionelle Handeln von Coaches übertragen und als anwendungsbezogene Standards beschrieben. Das Coaching-Kompendium war und ist ein unverzichtbares Nachschlagewerk geworden, welches durch den engagierten Einsatz der Mitglieder fortlaufend aktualisiert wird. Es soll ebenso Orientierung geben und Standards setzen wie die in jenem Verbandsjahr 2010 darüber hinaus veröffentlichten und kostenfrei erhältlichen DBVC Materialen der Fachausschüsse und der Säule der Unternehmensvertreter (FCIO – Fachexperte für Coaching in Unternehmen): eine „Checkliste für Auftraggeber und Klienten“ und „Empfehlungen für eine professionelle Implementierung von Coaching in Organisationen“. Erstere richtet sich als Instrument zur Erkennung und Prüfung von Qualität im Coaching insbesondere an Personalverantwortliche und Coaching-Anwender, die Einkäufer der Beratungsleistung sind. Letzteres soll Unternehmen eine Hilfestellung sein, die Coaching als festen Bestandteil professionell in ihr Unternehmen implementieren wollen.
2010 war auch das Jahr der zweiten Verleihung des Deutschen Coaching-Preises. In der Kategorie „Organisationen“ ging der Preis im Juni 2010 im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) an Annelie Eichhorn vom Klinikum der J.W. Goethe Universität Frankfurt am Main für die Implementierung eines internen Coach-Pools am Klinikum. In der Kategorie „Wissenschaft“ freute sich Peter-Paul Gross über den Deutschen Coaching-Preis für seine wirtschaftswissenschaftlichen Betrachtungen von Coaching im vorvertraglichen Verhandlungsstadium zwischen Klient und Coach.
Zwei Jahre „Wirtschaftskrise“ lagen hinter der Coaching-Branche. Ist Coaching krisenfest geblieben? Nach den Umfrageergebnissen einer 2010 durchgeführten Coaching-Umfrage des österreichischen Beratungsunternehmens „Trigon“ (Dr. Werner Vogelauer) im deutschsprachigen Raum war die Frage eindeutig zu beantworten: „Coaching spürt keine Krise“ konnte dem Titel des veröffentlichten Ergebnisberichtes entnommen werden (Trigon Entwicklungsberatung (2010). Coaching Befragung 2010). Dabei wurden insgesamt 297 Fragebögen von Coaching-Klienten, Personalentwicklern und Coaches aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ausgewertet. Jeder zweite Befragte meinte, die Wirtschaftskrise habe keine Wirkung auf die Nachfrage nach Coaching gehabt (51 Prozent). 62 Prozent der Personalentwickler gaben an, Coaching von der Häufigkeit und vom Budget her gleichbleibend wie vor der Wirtschaftskrise zu nutzen. Und von den befragten Coaches sagte gut jeder Zweite, dass die Einzel-Nachfrage nach Coaching gleich geblieben wäre (48 Prozent).
Ist Coaching in der Krisenzeit sogar „sexy“ geworden („Trainingsmethoden 2010: Coaching ist das beliebteste Format“, managerSeminare, „Das Blog“, von Nicole Bußmann, veröffentlicht am 10.08.2010)? Hier gilt es – wie so oft – genauer hinzusehen: Dass Coaching als Beratungsform in den letzten Jahren attraktiv geworden war, steht außer Frage. Aus einer von managerSeminare durchgeführten Umfrage unter Weiterbildungsanbietern ging hervor, dass Coaching im Jahr 2010 sogar das am häufigsten genutzte Format war: Ein Drittel der insgesamt 360 Umfrageteilnehmer gab an, Coaching „immer“ zu nutzen und zwei Drittel nutzten es „häufig“.
Eine alternative These wäre, dass befragte Coaches die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Coaching-Branche nicht offenkundig als Krisenzeit wahrgenommen haben könnten. Bei der Interpretation von Zahlen zum Coaching-Markt ist – unabhängig von ihrer Aktualität – zu beachten, dass die überwiegende Mehrheit der Coaches eine Coaching-Weiterbildung mit dem Ziel absolviert(e), eine Zusatz-Qualifikation zu einem bereits gelernten Beruf und/oder einer ausgeübten Tätigkeit zu erlangen (z.B. für Trainer, Therapeuten, Führungskräfte, Personalverantwortliche oder Berater). Der Hauptfokus ausgebildeter Coaches muss demnach nicht zwangsläufig auf Coaching liegen, was Wahrnehmungen und Aussagen von Coaches zur Coaching-Nachfrage vor und während der Krisenzeit in Meinungsumfragen mitunter verzerren bzw. relativieren könnte.
Coaching erfuhr aufgrund seiner zunehmenden Beliebtheit eine Begriffsveränderung in Form einer Definitionserweiterung: Immer mehr Interventionen, Maßnahmen und Techniken wurden – z.T. unreflektiert – als „Coaching“ bezeichnet. In den Zeiten während und nach der Wirtschaftskrise trafen viele Menschen als Arbeitnehmer, Führungskräfte, Selbständige oder Privatperson auf harte Umbruchsituationen. Sicherheit, Planung und Vorsorge waren zu schwammigen Konstrukten geworden, was die Arbeits- und Lebenswelt eines jeden Einzelnen stark beeinflussen sollte. „Die scheinbare Berechenbarkeit unseres Lebensrhythmus, der tägliche Weg zur Arbeit, das allzeit als so vernünftig geltende Fondssparen – alles scheint plötzlich hoffnungslos veraltet.“, schrieb der Politologe Markus Albers 2010 in einem Leitartikel der Zeitschrift manager-Seminare („Auf dem Weg zur Ich-Wirtschaft“, managerSeminare, Heft 146/2010, S. 45ff.). Eine Folge des Verlustes der bis dahin vertrauten Lebens- und Arbeitswelt war eine seit 2009 steigende Zahl von Selbstständigen in der deutschen Wirtschaft. Der neue Leitspruch schien zu lauten: „Wenn man sich auf nichts mehr verlassen kann, dann verlässt man sich am besten auf sich selbst.“
Damit einher gingen neue Sichtweisen, die im Kern stets das eigene Selbst in den Fokus rückten: Selbstfindung wurde zum Credo, um eigene Stärken und Fähigkeiten zu entdecken; Weiterbildung kam in der Wissensgesellschaft als lebenslanges Konzept an; Krise wurde als Chance zur Selbstverwirklichung wahrgenommen und die Bedeutung von Arbeit und Loyalität gegenüber (s)einem Arbeitgeber erfuhr eine grundsätzliche Relativierung. Die Lebens- und Arbeitswelt war in Veränderung begriffen und kann ein Erklärungsfaktor für die Definitionserweiterung des Begriffes „Coaching“ sein. In Umbruchsituationen wurden „Gründungs-Coaches“, „Life-Coaches“, „Gesundheits-Coaches“, „Change-Coaches“ etc. zu wichtigen Begleitern persönlicher oder beruflicher Veränderungsprozesse – sei es für Konzernleitungen oder Mittelstandsunternehmen, Führungskräfte oder Privatpersonen. Selbstverwirklichung, Selbstorganisation und Selbsterfahrung waren wichtige individuelle Entwicklungsprozesse geworden und für solcherart Prozesse ist Selbstreflexion (mit einem unabhängigen Feedbackgeber) unabdingbar.
Mit neuen Veröffentlichungen konnte der DBVC 2010 dem Coaching-Markt Orientierung geben – und das waren wertvolle Beiträge in einer Zeit, in der Coaching sich großer Beliebtheit erfreute und zeitgleich zu einem inflationär gebrauchten Begriff wurde.
+++ Christian Wulff wird nach dem Rücktritt von Horst Köhler deutscher Bundespräsident +++ Eine Aschewolke des Vulkans Eyjafjallajökull auf Island legt den europäischen Luftverkehr lahm +++ In der Ukraine wird Wiktor Janukowitsch zum Präsidenten gewählt +++ Die Vorratsdatenspeicherung wird in der damaligen Form durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt +++ Lena Meyer-Landrut gewinnt den 55. Eurovision Song Contest für Deutschland +++ Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ erscheint und wir kontrovers diskutiert +++ Die geplante Umwandlung des Stuttgarter Kopfbahnhofs in einen Durchgangsbahnhof sorgten für überregionale Proteste +++ Deutschland erreicht den 3. Platz bei der FIFA Weltmeisterschaft in Südafrika+++
… der DBVC im Januar 2010 ein verbandsinternes „Visionstreffen 2015“ durchführte? Dafür wurden alle damals 162 Verbandsmitglieder eingeladen, sich mit Ideen und Inspirationen an der „Schaffung gemeinsamer Bilder über die Zukunft des DBVC“ zu beteiligen. Heraus kamen vielseitige Gedanken zu den Themenfeldern „Markt (-Entwicklung)“, „Verbandskultur (-Entwicklung)“, „Verbandsstruktur (-Entwicklung)“ sowie „Wirkungen ins Feld“.