Vom Missverstehen zum Mitfühlen - Interkulturelles Coaching mit Tiefenwirkung
Hintergrund
In unserer Serie #TransparenzimCoaching beziehen wir Stellung: Die im #DBVC organisierten Expert*innen aus den Bereichen Coaching-Praxis, Weiterbildung, Wissenschaft und Unternehmen setzen sich für eine differenzierte öffentliche Debatte des Themas #Coaching ein.
Vom Missverstehen zum Mitfühlen - Interkulturelles Coaching mit Tiefenwirkung
Kulturelle Vielfalt begleitet mich seit meiner Kindheit - zunächst unbewusst, später mit zunehmender Tiefe. Was ich als Coachin und Beraterin heute begleite, hat mit meiner eigenen Geschichte zu tun: In einem Hotel, mit 200 jähriger Familientradition groß geworden, das in den 60er-Jahren internationale Gäste empfing, lernte ich früh, wie verschieden Menschen auf dieselbe Welt blicken.
Doch erst im Coaching wurde mir bewusst, wie tief Kultur im Inneren verankert ist - in Sprache, Haltung, Werten, sogar im Unbewussten.
Mein Coaching-Prozess
In meiner Coachingpraxis arbeite ich mit einem interkulturellen Ansatz, der nicht nur Wissen über andere Kulturen vermittelt, sondern auch das innere Erleben des Fremden zum Thema macht. Das Herzstück: Eine tiefenpsychologische-psychodynamische Perspektive - inspiriert von C. G. Jung - hilft dabei, kulturelle Konflikte nicht nur kognitiv zu verstehen, sondern emotional zu integrieren.
Im Zentrum steht dabei stets die Frage: „Was passiert hier wirklich – bei mir, beim Gegenüber, im Raum zwischen uns?“
Denn das kulturell Andere wirkt meist nicht nur äußerlich, sondern aktiviert innere Muster, Affekte, unbewusste Prägungen.
Schritte im Prozess:
- Kulturbiografische Reflexion: Woher komme ich? Was hat mich geprägt?
- Arbeit mit Projektionen: Was triggert mich - und was davon hat mit mir zu tun?
- Symbolische Arbeit: Welche inneren Bilder oder Archetypen wirken in mir?
- Integration: Wie kann ich das Fremde in mir willkommen heißen?
Tools wie Erin Meyers „Culture Map“ ergänzen diesen Prozess hervorragend. Sie bieten Struktur, aber ohne das tieferliegende Unbewusste auszublenden.
Methodischer Tiefgang: C. G. Jung im interkulturellen Coaching
Jung bietet zentrale Konzepte, die im interkulturellen Coaching wirksam werden:
- Projektion: Wir sehen im Fremden oft das, was wir in uns nicht sehen wollen.
- Schattenarbeit: Kulturelle Konflikte aktivieren verdrängte Gefühle, z. B. Schuld, Scham, Angst oder Dominanzwünsche.
- Archetypen: Die Vorstellung vom „guten Chef“, vom „alten Weisen“, vom „Held“ bis hin zur „Mutter“ ist kulturell geprägt - und doch universell verankert.
- Kollektives Unbewusstes: Kultur ist nicht nur individuell - sie wirkt aus einer tieferen, gemeinsamen Ebene. Das zu verstehen, kann heilsam sein.
Diese Konzepte ermöglichen es Klient:innen, kulturelle Spannungen als Weg zur inneren Entwicklung zu nutzen - im Sinne einer transkulturellen Individuation.
Ein Beispiel aus meiner Arbeit
Ein prägendes Erlebnis war ein Coaching mit einer Führungskraft, die erstmals mit einem Team aus Ostdeutschland zusammenarbeitete – und das lange nach der Wende. Obwohl alle dieselbe Sprache sprachen, verstanden sie sich nicht. Tonfall, Tempo, Ausdruck - alles schien subtil „anders“. Die Klientin formulierte: „Ich dachte, ich spreche Deutsch - aber offenbar eine andere Variante.“
Hier zeigte sich: Sprache ist Kulturträger, aber Kultur ist mehr als Grammatik.
Durch bewusste Reflexion, das Nachspüren innerer Bilder („Was denke ich, wenn ich 'Osten' höre?“) und biografisches Erzählen entstand ein neuer Blick: nicht auf „die anderen“, sondern auf sich selbst im Spiegel des Anderen.
Empfehlung an die Leser:innen: Meine drei wichtigsten Learnings
- Verstehen heißt nicht gleich sein. Unterschiedlichkeit ist kein Mangel, sondern Ressource und Vielfalt.
- Wirkliche Begegnung braucht die Arbeit mit sich selbst, „Innenarbeit“. Wer kulturell führen will, muss sich selbst führen können.
- Der Schlüssel liegt im Zuhören. Nicht um zu antworten, sondern um zu begreifen und, um die richtigen Fragen zu stellen.
Wo ich gelernt habe / was mich geprägt hat
- Karlsruher Institut Dr. Berninger-Schäfer (Business-/Online- & Health Coach)
- Mein Executive Master bei INSEAD („Consulting & Coaching for Change“)
- Die tiefe Auseinandersetzung mit C. G. Jung und der Tiefenpsychologie (Laurence Barret, Heresy Consulting)
- Praktische Anwendung in der internationalen Hotellerie und globalen Coachingpraxis
- Meine Lebenserfahrung, Familie, Begegnungen auf nationalem und internationalem Parkett. Vor allen Dingen durch das ‚In Beziehung‘ gehen
Die Autorin - Wer ist Cornelia Kausch
Cornelia Kausch verfügt über mehr als 30 Jahre internationale Führungserfahrung in der Hospitality-Branche - u. a. als Managing Director von PANDOX AB, von Corinthia Hotels & Resorts, als General Manager Dorint Hotels & Resorts und The Westin Grand Berlin.
Nach einer erfolgreichen Karriere in operativer Exzellenz und strategischer Leitung gründete sie CK Hospitality Advisors und später CK Collective - mit dem Fokus auf Leadership Coaching, Kulturwandel und nachhaltige Transformation in Organisationen.
Ihr Coaching-Ansatz ist integrativ und fundiert: psychodynamisch, tiefenpsychologisch, systemisch und ressourcenorientiert. Sie begleitet Führungspersönlichkeiten in globalen Kontexten und schafft Räume für Klarheit, Entwicklung und menschliche Verbindung.
Cornelia Kausch studierte an der Ecole Hôtelière de Lausanne, absolvierte den Executive Master in Consulting & Coaching for Change an der INSEAD Business School und ergänzte ihre Expertise durch mehrere fundierte Coaching-Ausbildungen (u. a. bei Prof. Dr. Elke Berninger-Schäfer, Hogan Assessments, Inszenario Coaching).
Ihr zentrales Anliegen: Menschen in ihrer Wirksamkeit stärken – jenseits von Methoden, mit Haltung, Tiefe und Präsenz.